June 9, 2010

LSD und sein Entdecker pt 1


Albert Hofmann – LSD und sein Entdecker
Ein Film von Basil Gelpke und Valentin Faesch pt 2
Albert Hofmann:

"Oft wurde gesagt, LSD sei eine Zufallsentdeckung – das ist nur teilweise richtig, denn LSD, die Abkürzung für Lysergsäurediethylamid, wurde 1943 planmäßig hergestellt mit der Absicht, ein Kreislaufstimulanz, ein Analeptikum zu gewinnen. Der Zufall kam erst ins Spiel, als ich bei der Synthese unabsichtlich mit der Substanz in Berührung kam und dabei ihre außerordentlichen psychischen Wirkungen entdeckte. Gesucht hatte ich ein Kreislaufstimulanz, gefunden aber ein Psychostimulanz von bisher nie gekannter Wirkung."

Albert Hofmann, der Entdecker von LSD ist promovierter Chemiker, dreifacher Ehrendoktor der Chemie und einer der bedeutendsten Naturstoffchemiker unseres Jahrhunderts.
1943. Der Zweite Weltkrieg hat weite Teile Europas verwüstet. Städte und Fabriken sind zerstört, Menschen auf der Flucht. Die neutrale Schweiz und mit ihr die Grenzstadt Basel bleiben vom Krieg verschont. Albert Hofmann ist Offizier der Schweizer Armee, verbringt die eine Hälfte seiner Zeit im Militärdienst, die andere im Labor. Trotz des Krieges gehen die Forschungsarbeiten weiter. [...]
Am 16. April 1943 gerät Hofmann während der Arbeit unvermittelt in einen merkwürdigen Zustand. Damals schrieb er diesen Bericht an seinen Chef:

"Vergangenen Freitag, dem 16. April, musste ich mitten am Nachmittag meine Arbeit im Laboratorium unterbrechen und mich nach Hause in Pflege begeben, da ich von einer merkwürdigen Unruhe, verbunden mit einem leichten Schwindelgefühl, befallen wurde. Zuhause legte ich mich nieder und versank in einen nicht unangenehmen, rauschartigen Zustand, der sich durch eine äußerst angeregte Phantasie kennzeichnete. Im Dämmerzustand bei geschlossenen Augen – das Tageslicht empfand ich als unangenehm grell – drangen ununterbrochen phantastische Bilder von außerordentlicher Plastizität und mit intensivem kaleidoskopartigen Faltenspiel auf mich ein. Nach etwa zwei Stunden verflüchtigte sich dieser Zustand. Anschließend machte ich mit meiner Frau einen kleinen Spaziergang, wonach ich mich wieder vollkommen frisch und normal fühlte."

In seinen Laboraufzeichnungen äußert Hofmann gleich den Verdacht, dass er während der Arbeit unabsichtlich mit einer Substanz in Berührung gekommen sei: mit Lysergsäurediethylamid – also LSD. Er entschließt sich, der Sache auf den Grund zu gehen.
Hofmann:

"Drei Tage später, am 19. April 1943, machte ich einen Selbstversuch. Ich begann mit der kleinstmöglichen noch aktiven Menge, einem Viertel-Milligramm. Später stellte sich heraus, dass diese Dosis bereits das Fünffache der normal wirksamen Dosis gewesen war. Es begann damit, dass sich die Umgebung veränderte. Alles schien wie belebt. Auch die toten Gegenstände. Ich hatte auch innerlich ein anderes Selbstgefühl, ein anderes Körpergefühl. Die Sinnesempfindungen waren stimuliert, die Farben schienen grell, die Töne intensiv – das ganze Erleben war verändert. Die Sache begann so fremdartig zu werden, dass ich mich entschloss nach Hause zu gehen. Ich bat meine Laborassistentin mich nach Hause zu begleiten. Wir fuhren mit dem Velo dann eine Strecke von etwa sechs Kilometern, und unterwegs hatte ich das Gefühl ... es war eine ganz merkwürdige Störung des Zeiterlebens. Zuhause angelangt, war der Zustand schon so, dass ich vollkommen von der Umwelt und von mir selbst entfremdet war."

Stunden später kommt Hofmann dann wieder langsam aus seiner unheimlich fremdartigen Welt zurück in die vertraute Alltagswirklichkeit. Neu war eine Substanz von derartiger Wirksamkeit. LSD – hier seine Kristallisation – greift in die höchsten Regelzentren des menschlichen Bewusstseins ein. Ein einziges Gramm reicht für 10.000 Trips.
LSD ist ein chemisch nur leicht modifizierter Wirkstoff aus einem auf Roggen und Weizen wuchernden Pilz-Parasiten, dem sogenannten Mutterkorn.
Hofmann:

"Mutterkorn ist das Produkt eines Pilzes, der auf Getreidearten und auch auf Wildgräsern wuchert. Die vom Pilz befallenen Ähren entwickeln dann anstelle der hellen Körner das dunkle Mutterkorn. Mutterkorn wurde schon seit dem Altertum von den Hebammen verwendet, um die Geburt zu beschleunigen und Nachgeburtsblutungen zu stillen. Diese Wirkungen haben natürlich die pharmazeutischen Chemiker dazu veranlasst, die wirksamen Prinzipien zu isolieren und in reiner Form herzustellen, um daraus Medikamente machen zu können."

Vor der Entdeckung von LSD war es Hofmann schon gelungen, aus dem Mutterkorn drei, dem LSD chemisch nah verwandte Medikamente zu entwickeln, die bis heute Standardpräparate geblieben sind. Ein Medikament für die Geburtshilfe, ein kreislauf- und blutdruckstabilisierendes Mittel und ein Geriatrikum. Sie alle werden zu Bestsellern des Konzerns und tragen zum rasanten Wachstum der Firma entscheidend bei. Sandoz erzielt aufgrund von Hofmanns Forschungsarbeit Milliarden-Umsätze.
Während die moderne Medizin dem Mutterkorn wichtige Medikamente verdankt, sorgte der giftige Kornparasit im Mittelalter und vereinzelt noch bis in unser Jahrhundert für Tod und Verderbnis. Mutterkornverseuchtes Mehl wurde zu Brot verarbeitet. Die Folgen waren verheerend. Es kam zu Epidemien, denen Zehntausende von Menschen zum Opfer fielen. Die unerwartete Entdeckung von LSD sorgt nach Ende des Krieges für internationales Aufsehen in der Wissenschaft und macht Hofmann in Fachkreisen weltbekannt.

Paul Herrling – Forschungsleiter Pharma: "Zunächst war es sicher so, dass die Entdeckung der bewusstseinsverändernden Eigenschaften von LSD die Aufmerksamkeit des Forschungsestablishments in Nordamerika und Europa sehr stark auf solche bewusstseinsverändernden Drogen gelenkt hat. Das wäre wahrscheinlich in der südamerikanischen Kultur viel weniger aufsehenerregend gewesen, weil die ja solche Drogen schon seit Jahrhunderten in ihren Ritualen brauchen."

In Mexiko findet bis heute ein Kaktus als sakrale Droge bei den Huichol-Indianern Verwendung. Seine dem LSD sehr ähnlichen halluzinogenen Eigenschaften verdankt der Peyotl-Kaktus einem seiner Inhaltsstoffe, dem Mescalin. Diese rituellen Zeremonien stehen im Mittelpunkt des religiösen Weltbildes dieser Indianer.
Neu ist das Wirkungsbild von LSD also nur für den westlichen Kulturkreis. 1947 wird LSD an der psychiatrischen Universitätsklinik Zürich zum ersten Mal breit auf seine Einsatzmöglichkeiten in der Psychiatrie hin getestet. Die Ergebnisse sind ermutigend. Aufgrund dieser Resultate entschließt sich Sandoz 1949 Forschern und Ärzten LSD unter der Bezeichnung Delysid als Versuchspräparat zur Verfügung zu stellen. Im Begleitprospekt zu Delysid werden folgende Eigenschaften genannt: "Delysid erzeugt vorübergehende Affektstörungen, Halluzinationen, Depersonalisationserscheinungen, Bewusstwerden verdrängter Erlebnisse." Als Indikationen werden genannt: "Zur seelischen Auflockerung bei analytischer Psychotherapie, besonders bei Angst- und Zwangneurosen. Delysid vermittelt dem Arzt im Selbstversuch einen Einblick in die Ideenwelt des Geisteskranken."

Zu Beginn der 50er Jahre beginnt LSD erstmals das Interesse der Medien zu erregen. Vor den Kameras der BBC kommt es zu einem Selbstversuch: Test Subject) "Ich fühle mich gut und gesund wie immer, und ich nehme die Droge jetzt."
Eineinhalb Stunden später: Research Scientist) "Können Sie uns eine besondere Farbe beschreiben?"
TS) "Die Farben da vor uns, diese Farbe – wie soll ich sagen – verdammt, mein Wortschatz reicht nicht aus dafür."
RS) "Sprechen Sie vielleicht von diesem rötlichen Vorhang?"
TS) "Ja, und er hat wirklich verrückte Ornamente. Und das Licht – Entschuldigung, aber ich kann es nicht wirklich beschreiben."
RS) "Sind Sie überrascht, wenn ich diesen Vorhang eher schäbig finde?"
TS) "Entschuldigung, aber ich meinte etwas anderes damit."
RS) "Was meinen Sie in dieser Situation, wessen Urteil halten Sie denn für das richtigere?"
TS) "Jetzt stellen Sie mir eine Alles-Oder-Nichts-Frage. Ob ich aufgrund der Drogenwirkung den Vorhang eher so sehe, wie er wirklich ist, oder ob ich unter der Drogenwirkung Dinge sehe, die nicht so sind – faszinierend. Tja, alles was ich dazu sagen kann, ist, das ist eine Alles-Oder-Nichts-Frage."
Einige Zeit später: TS) "Ich reise jetzt von einer Zeit in eine andere und wieder zurück. Es ist mir nicht genauso bewusst, ich weiß aber, dass ich mich auch im Raum bewege. Aber ich bin mir extrem bewusst, dass ich mich in der Zeit bewege. Die Dinge haben keine Abfolge, und es gibt keine absolute Zeit, keinen absoluten Raum. Das sind nur Formen, die wir auf die Außenwelt projizieren."

Zu dieser Zeit veröffentlicht der weltbekannte britische Schriftsteller Aldous Huxley seine Erfahrungen mit Mescalin und LSD unter dem Titel "Die Pforten der Wahrnehmung. Himmel und Hölle." In diesen Drogen sieht er einen Schlüssel, um neue Welten des Bewusstseins zu erschließen.
Q) "In Ihrem Buch über Mescalin beschreiben Sie die unschätzbare Erfahrung, ausgelöst durch Drogen. Profitieren Schriftsteller von so etwas?"
Huxley) "Am meisten profitieren würden Professoren! Für fast jeden, der glaubt, die Welt genau zu kennen, der fixe Ideen und ein klar festgefügtes Weltbild besitzt. Für den wären diese Drogen sehr gut, um zu erkennen, dass die Welt, die er sich konstruiert hat, in keiner Weise die einzige Welt ist. Dass es außergewöhnliche, völlig andere Welten gibt, die wir – und das ist eine Gnade – erfahren können."
Huxleys Roman Eiland schildert eine utopische Gesellschaft, deren Weltbild von Einweihungsriten bestimmt wird. Dabei kommt ein magischer Pilz zur Anwendung. Es ist Psilocybe, ein Pilz, der wie der Mescalin-Kaktus schon seit Jahrtausenden von mexikanischen Indianern verwendet wird.

Mitte der 50er Jahre entdeckt der Pilzforscher Gordon Wasson, dass diese Zeremonien bis heute im abgelegenen Hochland Südmexikos praktiziert werden. Er bringt die Pilze zur Untersuchung in Albert Hofmanns Labor.
Hofmann:

"Es war ein fast unglaubliches Erlebnis oder ein – wie soll ich sagen – Zufall, dass diese mexikanischen Zauberdrogen zur Untersuchung in mein Laboratorium kamen. Es war das LSD, das diese Stoffe in mein Labor gezogen hat. Als gewisse mexikanische Zauberdrogen – es waren die heiligen Pilze der Teonanacatl, als die Gruppe von amerikanischen Ethnologen Mitte der 50er Jahre entdeckt wurde – wurden diese Pilze (Teonanacatl means the "Body of God" to the indigenous of Oaxaca Mexico, the psilocybin mushroom) wissenschaftlich untersucht. Man war aber nicht in der Lage, die Wirkstoffe zu identifizieren, man kam zu keinem Resultat. Und da hat sich der Botaniker erinnert, dass in Basel eben ein Stoff, LSD, entdeckt und untersucht wurde, der dieselben psychischen Wirkungen hat wie diese mexikanischen Pilze. Und er fragte uns, ob wir interessiert wären, diese Untersuchungen durchzuführen. So kamen die Pilze in mein Laboratorium, und wir waren dann erstaunt: Wir konnten relativ schnell diesen Wirkstoff isolieren und identifizieren, weil wir die Erfahrungen mit LSD hatten. Und dann stellte sich heraus, und das war auch wieder ein großer Zufall, dass sie strukturell-chemisch nah verwandt sind mit LSD."

(Ab 1607 versuchten die Jesuiten und Franziskaner, die Tarahumara zu bekehren. Einer der ersten Jesuiten dort versuchte sie mit Gewalt zu missionieren, worauf sie sich bewaffnet zur Wehr setzten. Man sagt von ihnen, dass sie wahrscheinlich die einzige Gruppe von Indigenas sind, die nie unterworfen wurde und sich nie mit anderen Kulturen vermischt hat. Auch die nordwestlich und nordöstlich lebenden Apachen überfielen ihre Siedlungen ab Mitte des 17. Jahrhunderts und bekämpften sie erbittert. Die Tarahumara stellten daraufhin den Spaniern und Mexikanern in den ständigen Abwehrkämpfen an der Nordgrenze gegen die Apachen stets furchtlose und ausdauernde Kämpfer, die es zudem zu Fuß durchaus mit den laufstarken Apachen-Kriegern aufnehmen konnten.)

Fasziniert von dieser Entdeckung reist Hofmann 1962 selbst nach Mexiko. Auf den Spuren der Azteken, die den Psilocybe-Pilz schon vor Jahrtausenden rituell gebrauchten, reist er mit Gordon Wasson zusammen durch unwegsames Gelände zur Zauberheilerin Maria Sabina, die ihn an einer Pilzzeremonie teilnehmen lässt. Die Indianerin Maria Sabina ist eine Curandera, eine Heilpriesterin. Der Pilz bringt sie in Kontakt mit ihren Göttern, lässt sie in die Zukunft sehen und die Ursachen von Krankheiten erkennen.
Hofmann:

"Weil es nicht die Zeit war, in der die Pilze erhältlich waren, konnte ich ihr von meinem synthetischen Psilocybin in Form von Pillen diesen Stoff verabreichen. Sie war anfangs skeptisch, aber die ganze Zeremonie ist dann zu ihrer vollen Befriedigung verlaufen. Es war sozusagen ein Test an kompetentester Stelle, dass mein synthetisches Psilocybin identisch war mit dem natürlichen Psilocybin, mit dem Inhaltsstoff der Pilze.
[...] Also mit anderen Worten: Es zeigte sich, dass LSD, das man früher eigentlich als Laborprodukt betrachtet hatte, durch eine zufällige Entdeckung in die Gruppe der mexikanischen sakralen Drogen gehört. Was seinen Wirkungsgrad anbelangt wie seine chemische Struktur."

Viele Jahr werden Hofmann und Gordon Wasson untersuchen, ob eine LSD-ähnliche Substanz gewonnen aus dem Mutterkorn im Altertum auch in Europa in einem mystisch-religiösem Rahmen Verwendung fand. Von 1.500 vor bis 300 n.Chr., fast 2.000 Jahre lang, fanden einmal jährlich im griechischen Eleusis Einweihungszeremonien statt. Die geheimnisvollen eleusinischen Mysterien gelten als wichtigster Mysterienkult des Altertums. Hofmann und Wasson kommen zu dem Schluss, bei den Riten in Eleusis fand mit größter Wahrscheinlichkeit eine halluzinogene Droge Verwendung, die aus einem Mutterkorn-Pilz gewonnen wurde.
Hofmann:

"Ich sehe die sinnvolle Anwendung in unserer Gesellschaft sicher vorläufig auf die Anwendung im psychiatrischen Rahmen beschränkt. Wir haben in unserer Gesellschaft nicht die Strukturen, die Einrichtungen, in denen solche Art Psychodrogen sinnvoll frei eingesetzt werden könnten. Wenn man bedenkt, wie in früheren Zeiten solche Stoffe eben in einem ganz besonderen Rahmen eingesetzt wurden – ich denke an die eleusinischen Mysterien, wo ziemlich sicher Psychedelika ("Fantastika") angewendet wurden – solche Institutionen fehlen bei uns."

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